Am 7. November 1917 sprach Max Weber in der Schwabinger Buchhandlung Steinicke vor liberalen Studenten über »Wissenschaft als Beruf«. Nüchtern postulierte der Soziologe in der Krise der Zeit: »Daß Wissenschaft heute ein fachlich betriebener ,Beruf‘ ist im Dienst der Selbstbesinnung und der Erkenntnis tatsächlicher Zusammenhänge, und nicht eine Heilsgüter und Offenbarungen spendende Gnadengabe von Sehern.« Seine provokativen Gedanken zur »Entzauberung der Welt« spitzten die moderne Sinnfrage neu zu und führten zu mannigfachen Resonanzen unter wachen Intellektuellen. So fragten Karl Löwith, Ernst Robert Curtius, Siegfried Kracauer und Helmuth Plessner mit und gegen Weber nach der Zukunft der politisch und ökonomisch entfesselten Zeit.
Genau einhundert Jahre später wollen Vorstellung und Lesung an markante Passagen in Webers Münchner Vorlesung erinnern und auch den zeitgenössischen Widerhall anklingen lassen. Seine Gedanken zu den falschen Hoffnungen, die man sich über die Reichweite moderner Rationalität machte, haben nichts an Aktualität verloren. Angesichts gesellschaftlicher Radikalisierungen lohnt es, Webers deutliche Warnung vor »monumentalen Kunstgesinnungen«, »religiösen Neubildungen« und »Kathederprophetien« erneut zu bedenken, und mit ihm zu fragen, was unsere »Forderung des Tages« sein könnte.
Matthias Bormuth hat die Heisenberg-Professur für Vergleichende Ideengeschichte an der Universität Oldenburg inne und leitet das dortige Karl Jaspers-Haus.