Das Haus der Kunst soll sich nach den Vorstellungen des britischen Architekten David Chipperfield wieder wie bei der Eröffnung 1937 im Stadtraum präsentieren, während umgekehrt das Geburtshaus Adolf Hitlers in Braunau baulich so verändert werden soll, daß sein ursprünglicher Zustand nicht mehr ablesbar ist. Beim Haus der Kunst wurde das Argument bemüht, die Steine seien doch unschuldig und deshalb könne das angeblich großartige Museum einfach so wie es einmal war, wieder präsentiert werden. Historische Zusammenhänge hätten demnach keinerlei Bedeutung für die Bausubstanz. Beim Hitlerhaus in Braunau, das nicht für Hitler errichtet worden ist, er verbrachte dort nur ein paar Kinderjahre, wurde dagegen umgekehrt eine derartige Verbindung der Substanz mit der Historie behauptet, daß die angeblich dadurch kontaminierten Steine so verändert werden sollen, daß sie mit keiner Erinnerung an Hitler mehr verknüpft werden können. Wie viel Geschichte befindet sich in einem Bauwerk und wie kann, soll oder darf mit baulichen Relikten umgegangen werden, die im Nationalsozialismus entstanden oder mit diesem in Verbindung stehen?
Winfried Nerdinger war Professor für Architekturgeschichte und Direktor des Architekturmuseums der TU München, seit 2012 ist er Gründungsdirektor des 2015 eröffneten NS-Dokumentationszentrums München.
Eine gemeinsame Veranstaltung des NS-Dokumentationszentrums und der Bayerischen Akademie der Schönen Künste