Robert Walser zählt heute fast zu den Klassikern der modernen Literatur, obwohl er in die Schublade des Klassikers so wenig passen will. Schon sein dürftiges Leben sperrt sich dagegen. Commis, Dienstbote, nomadischer Mansardenbewohner, gescheiterte Existenz, von der Familie schließlich mehr als ein Vierteljahrhundert in psychiatrische Kliniken weggesperrt: ein Leben ohne Leben! Und doch: die Kunst dieses lange Vergessenen zieht in den letzten Jahrzehnten immer weitere Wirkungskreise. Neben den von Walser selber veröffentlichten Texten gibt es ein unveröffentlichtes Konvolut von 526 Blättern und Zetteln, das zum Eigenartigsten gehört, das je ein Schriftsteller zu Papier gebracht hat: die so genannten Mikrogramme, die in einer gut ein Millimeter großen Sütterlinschrift mit zahllosen Kürzeln verfaßt sind, deren Entzifferung Jahrzehnte in Anspruch genommen hat. Walsers Neigung zum Kleinstformat hat mit seinem Grundgestus zu tun: der Selbstverkleinerung, dem Verschwindenwollen, dem Rückzug ins Unscheinbare.
Sibylle Canonica und Borchmeyer lesen aus der tänzerischen Kurzprosa dieses rätselhaftesten aller Dichter. Umrahmt wird die Lesung von Amadeus Wiesensee durch Klavierstücke, die zum musikalischen Geist der Prosastücke Walsers besonders passen, welcher von sich bekannte: »Ich bin ganz Ohr.« D. B.