Eine Republik der Räte, geführt von Dichtern und der Sehnsucht, die Welt als veränderbar zu erfahren. Sie waren fast alle da oder kamen in dieses revolutionäre, vom verheerenden, mörderischen Krieg erschöpfte und zugleich aufgeputschte München, das hungerte, fieberte, verzweifelte, wütete, aber auch träumte, von der Freiheit, dem Freistaat Bayern und einer Gleichheit, die sich nicht im Oktoberfest oder dem gemeinsamen Rausch in den Bierkellern erschöpfte. Es ist kaum zu glauben, wer sich da in München versammelte: Kurt Eisner, Gustav Landauer, Erich Mühsam, Oskar Maria Graf, Rainer Maria Rilke, Ret Marut, Klabund, Gustav Regler, Friedrich Freksa, Jakob Haringer, Ernst Toller und ja, der Leuchtturm Münchens, Thomas Mann und seine Familie.
Über die Räterepublik und ihr Scheitern wurde immer gelacht, von den Realisten, den Rechten und den Rächern. Aber was manchen lächerlich erscheinen mag, war nie zum Lachen, sondern blutiger Ernst, als die Weißen in München einmarschierten und auf das Brutalste wüten, wahllos echte und vermeintliche Rote an die Wand gestellt werden, auf offener Straße erschlagen oder in Hinterhöfen gemeuchelt werden, wie Gustav Landauer und der Antisemitismus seine mörderische Fratze zeigen und erahnen lassen, was kommen wird, wenn die Träumer und ihre Träume in Massengräbern geschichtet werden. Diese Träumer waren nicht Träumer, aber sie hatten einen Traum, den sie Wirklichkeit werden lassen wollten, nicht nur mit der Macht oder Ohnmacht des Wortes. Sie hatten wie Ernst Toller und Landauer kaum eine Woche Zeit dafür.
Diese Räterepublik und ihre Literatur zeigen, was anders hätte kommen können und warum es kam, wie es nicht hätte kommen müssen. Es gibt keine Zeit, in der Literatur und Politik so in eins gedacht wurden oder, um es mit Ernst Toller zu sagen: »Wer keine Kraft zum Traum hat, hat keine Kraft zum Leben«. A. O.