Die Figur des Faust gilt als der in sich gekehrte Wissenschaftler schlechthin, der sich auf der Suche nach Erkenntnis jedwedem Gefühl verweigert und der sich dunkler Mächte bedient, um an sein Ziel zu gelangen.
Aber: Ist das so?
Ist nicht Faust viel mehr ein vom Gefühl gelenkter Wissenschaftler, dem die Andeutung des Geschmacks um das Hinterliegende zu erklären nicht ausreicht? Ist er nicht wie Shakespeares Orsino immer auf der Suche nach dem »vollen Maß«? Ist Faust nicht solange in sich selbst spazieren gegangen, bis er sich schließlich selbst ausgehöhlt hat? Tritt nicht Faust, mangels adäquater Gesprächspartner im Selbstgespräch aus sich selbst heraus, um sich im sinnlichsten Vergnügen am Wort, an der »Rede Zauberfluß« und an sich selbst zu berauschen? Und ist der intellektuell unterlegene Mephisto nicht eigentlich die dunkle Seite des Faust? Kreiert diese dunkle Seite nicht ihr eigenes Verhängnis?
Goethe hat uns mit dieser an Komik reichen Tragödie einen Schlüssel zu uns selbst hinterlassen. Faust begegnet auf der Suche nach Erkenntnis sich selbst, ohne sich selbst zu erkennen. Die Leitfigur des deutschen Bildungsbürgertums wird zur Leid-Figur, der das Gefühl alles ist – und die sich selbst ihr größter, unüberwindbarer Feind ist.
Die Schauspieler Stefan Hunstein und Dirk Diekmann haben beide in unterschiedlichen Faust-Inszenierungen die Titelrolle verkörpert. Mit der Lust an der prallen, sinnlichen Dichtung Goethes wagen die beiden Protagonisten erneut die Konfiguration hin zu der Figur und untersuchen im rezitierenden Zwiegespräch den mephistophelischen Anteil an der faustischen Selbstvernichtung.