Wenn mehrere oder viele musizieren, wurde schon immer einer gebraucht, der ordnet und koordiniert. Dennoch ist der Dirigent, wie wir ihn verstehen, ein Spätgekommener. Noch zu Beethovens Zeiten kannte man ihn so, wie wir ihn kennen, nicht. Umso erstaunlicher erscheint sein Aufstieg fast zum obersten Repräsentanten des Musiklebens, in den Augen von Zeitgenossen meist vor hier eher zuständigen Komponisten. Dem entspricht die bis zu kitschigen Ver- himmelungen – Stefan Zweig, Franz Werfel – verfolgbare Imago des absolut Herrschenden – selbst Canetti und Adorno haben ihr Tribut gezollt. Dem entspricht überdies das Bild einer Tätigkeit, die man kaum lernen könne – man sei Dirigent oder sei es eben nicht.
All das hat viel mit dem Paradoxon eines Musikausübenden zu tun, der selbst keine Töne erzeugt, dessen Kommando Leute folgen müssen, die ihm in der Kenntnis vieler Details oft überlegen sind. Am gängigen Bild des Dirigenten gibt es manches zurechtzurücken, vorab im Blick auf Konstellationen, die die Entwicklungen des zeitgenössischen Komponierens und der historisch orientierten Aufführungspraxis mit sich brachten. P. G.
Peter Gülke
, geboren 1934 in Weimar, studierte Violoncello, Musikwissenschaft, Germanistik, Romanistik und Philosophie. 1981 Generalmusikdirektor in Weimar; 1983 verließ er die damalige DDR. Von 1986 bis 1996 Generalmusikdirektor der Stadt Wuppertal, dann Leitung der Dirigentenklasse an der Staatlichen Hochschule für Musik Freiburg. Zahlreiche Dirigentenkurse und Opernaufführungen im In- und Ausland. Musikwissenschaftliche Arbeiten zu vielen Themen. Im letzten Jahr erschien sein Buch Dirigenten. Peter Gülke wurde vielfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Ernst von Siemens Musikpreis (2014), dem Bayerischen Maximiliansorden für Wissenschaft und Kunst (2016) und dem Bundesverdienstkreuz am Bande (2017).