Goethe hat seinen Faust eine Tragödie genannt, doch zu deren Gattungsgesetzen will diese Weltdichtung als ganze nicht passen. Zwar spielen sich in ihr eine Reihe von einzelnen Tragödien ab (von Gretchen bis zu Philemon und Baucis), doch ihr Protagonist ist alles andere als eine tragische Figur, denn immer wieder bricht er, wenn seine Lebensbahn zur Tragödie werden könnte, zu neuen Ufern auf, um am Ende metaphysisch gerettet zu werden. Auch dramaturgisch hat Faust in beiden Teilen mehr von einer Komödie als von einer Tragödie. Angemessener könnte man ihn von seiner Exposition im ›Prolog im Himmel‹ und der abschließenden ›Bergschluchten‹-Szene her eine Divina Commedia nennen. Aber nicht nur der Komödie nähert er sich an, sondern auch der Oper, wie die dichte Folge von musikalisch geprägten Szenen im ersten wie vor allem im zweiten Teil zeigt. Kein Zufall, daß er zahllose musikalische Adaptationen angeregt hat und ein Opernstoff schlechthin geworden ist. D. B.