Im Simplicissimus erschien einst eine Karikatur zum Richtungsstreit, den die Architekten Henry van de Velde und Hermann Muthesius 1914 um den Stellenwert künstlerischer Gestaltung führten. Karl Arnold zeichnete das Bild dreier Formgeber, die jeweils hinter einem Stuhl posieren. Versehen mit dem knappen, gleichsam augenzwinkernd-ironischen Text: Van de Velde schuf den individuellen Stuhl, Muthesius die Stuhl-Type – und Schreinermeister Heese den Stuhl zum Sitzen. Treffender hätte man die fast schon kulturpolitische Dimensionen annehmende Gestaltdiskussion des beginnenden 20. Jahrhunderts kaum darstellen können, artikuliert sich hier doch der schwelende Konflikt zwischen Kunst, Handwerk und Industrie, zwischen individueller Atelier-, Werkstatt- und serieller Fabrikarbeit.
Heute können wir Dinge dreidimensional ausdrucken. Alles scheint nun möglich, sogar individuell vom heimischen Rechner aus. Doch was bedeutet das für unser Empfinden der Dinge und unsere Ansprüche? Nicht zuletzt auch angesichts ökologischer Probleme und einer rasant wachsenden Weltbevölkerung? T. S.
Thomas Schriefers ist Architekt, bildender Künstler, Buchautor und Ausstellungskurator. 1993 erhielt er in Potsdam den Schinkelpreis für Kunst und Bauen. 1996 Promotion an der RWTH Aachen. Seitdem lehrt und arbeitet Schriefers an verschiedenen nationalen und internationalen Institutionen.