Im Werk von Hermann Lenz (1913 -1998) spiegelt sich auf ganz eigene Weise die deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts. Fern aller literarischen Trends hat Lenz einen autobiographisch grundierten Kosmos entfaltet, dessen Zentrum die schwäbische Metropole Stuttgart bildet. Schon zu seinen Lebzeiten wurde er weniger von der Literaturkritik als von Autoren wie Peter Handke, Peter Hamm und Michael Krüger, aber auch von Hans Maier oder Erhard Eppler für seine Kunst gerühmt, im Augenblickhaften ganze Welten auferstehen zu lassen. Weil auch bei ihm das scheinbar Ephemere den Kern der Erinnerung bildet, wurde er immer wieder als schwäbischer Proust bezeichnet. In seinem 1975 erschienenen Roman Neue Zeit heißt es denn auch: »Alles sehen, alles hören, alles spüren, alles riechen, was sich dir hier zeigt. Lass es in dich eindringen, nimm daran teil, dann wird es dir klar.« Und an anderer Stelle: »Allerlei Momente: Nur aus solchen setzte sich’s also zusammen; häufte sich an, lagerte sich ab, sammelte sich an... Auf die kam es an.« Zwanzig Jahre nach seinem Tod droht Hermann Lenz’ Werk bereits wieder aus dem Blick zu geraten. K.-H. O.