Vor 300 Jahren, genauer gesagt, am 25. April 1719, erschien in London ein Buch, das nach dem ziemlich einhelligen Verdikt der Nachwelt den Ehrentitel »Erster Roman der Neuzeit« tragen darf. Sein Autor hatte als Journalist, Projekteschmied, königlicher Berater, Unternehmer, Bankrotteur, Geheimagent, politischer Renegat und nicht zuletzt als Märtyrer der freien Rede (im Gefängnis und am Pranger) reichlich Lebenserfahrung gesammelt, ehe er mit fast sechzig Jahren eher nebenher den bürgerlichen Roman erfand; und dies mit einem Bestseller, dessen unzählige Ausgaben, Übersetzungen und Bearbeitungen an Verbreitung sogar der Bibel Konkurrenz machen sollten.
»A just history of fact« nennt der Verfasser in der Maske des Herausgebers die Lebensgeschichte seines Protagonisten Robinson, der als Jedermann einen Heldentypus neuer Art verkörpert. So abenteuerlich diese Geschichte ist, Figur und Leser bevölkern eindeutig dieselbe, denkbar konkret beschworene Zeit und Lebenswelt. Nie zuvor wurde die Mühsal und Würde individueller Erfahrung so spannend in Szene gesetzt. Keine spektakulären Sonnenuntergänge, wie Virginia Woolf zum 200. Jubiläum des Robinson schrieb; nein, da ist nur dieser »große irdene Topf, der uns aus nächster Nähe fest anschaut«.
Aus gegebenem Anlaß also ein frischer Blick auf berühmte und unvertraute Episoden einer Fiktion mit unabsehbaren Folgen, die dazu noch einen Mythos samt eigener Romangattung begründet hat, und auf die Bedingungen ihrer Entstehung. W. v. K.
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