Der Roman Die Stadt erzählt von brodelnden 1920ern als alles möglich schien und so vieles erreicht wurde. Zahlreiche junge Ukrainerinnen und Ukrainer strömen zu Beginn der 20er Jahre vom Land in die Metropole, um zu studieren und den Sozialismus aufzubauen – so auch Stepan, die Hauptfigur des Romans. Die Stadt und ihre Menschen wirken auf ihn unerwartet heftig, und so gibt er den Plan zu studieren und den Sozialismus aufzubauen bald auf und nimmt sich vor, Schriftsteller zu werden und die »Stadt zu erobern« – wie der sagt. Wie Bel Ami in Maupassants gleichnamigen Roman, durch den Die Stadt vordergründig inspiriert ist, durchläuft auch Pidmohylnyjs Held eine Reihe von Beziehungen mit unterschiedlichen Frauen, die ihm zwar neue emotionale und sexuelle Erfahrungen bringen, jedoch weder ihn noch die Frauen erfüllen. Und doch bedeuten diese Liebschaften Entwicklungsstationen im Leben des Helden, dessen Geschichte auch um das Werden eines Schriftstellers kreist. Dabei geht es um die Frage nach einem neuen Schriftstellertypus und der Entstehung einer neuen Literatur, eines neuen Schreibens in der modernen, urbanen, sowjetischen Ukraine.
In seiner informationsreichen, auf die konkrete frühsowjetische Realität bezogenen und dabei immer gut lesbaren Reflexionen der Problematik von Dorf/Land und Stadt respektive Provinz und Metropole, der sowjetischen Transformation des sozialen Raums und der Auswirkungen der Ukrainisierungspolitik auf die gesamte Kultur bildet der Roman eines der wichtigsten und auch für heutige Leser interessantesten Prosawerke der ukrainischen Moderne. Darüber hinaus kann Pidmohylnyjs Roman, der starke Parallelen zu den großen Stadttexten jener Zeit aufweist, in thematischer und ästhetischer Hinsicht und auch in Hinblick auf seine metapoetische Dimension als exemplarischer Text einer vielstimmigen europäischen Moderne eingeordnet werden. Alexander Kratochvil
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