Zum Festvortrag von Barbara Stollberg-Rilinger:
Eine große deutsche Wissenschaftsstiftung hat vor ein paar Jahren Loselemente in ihre Entscheidungsverfahren eingebaut. Das erscheint auf den ersten Blick anstößig, und es liegt auf der Hand, warum.
Für uns beruht Entscheiden ja gemeinhin auf dem rationalen Abwägen von Gründen, auf der Ermittlung des Guten und Richtigen. Wir wollen die Dinge vernünftig planen, gestalten, Erwartungssicherheit herstellen. Entscheidung durch das Los bedeutet hingegen, sich dem blinden Zufall auszuliefern. Doch so wenig rational das Zufallsprinzip auf den ersten Blick erscheint, so sinnvoll kann es doch unter bestimmten Bedingungen sein. Das zeigen die vielfältigen Praktiken des Losens in der europäischen Vormoderne, die immer schon von Diskussionen über die Zulässigkeit und den Sinn des »organisierten Zufalls« begleitet worden sind. B. S.-R.
Barbara Stollberg-Rilinger
Barbara Stollberg-Rilinger, geboren 1955, studierte Germanistik, Geschichte und Kunstgeschichte. Seit 1997 ist sie Professorin für Geschichte der Frühen Neuzeit am Historischen Seminar der Universität Münster. 2005 wurde sie mit dem Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft ausgezeichnet. Seit 2018 ist Barbara Stollberg-Rilinger Rektorin des Wissenschaftskollegs zu Berlin.
Musikprogramm:
Tzvi Avni (*1927)
Credo … für Streichtrio
TrioCoriolis
Thomas Hofer, Violine
Klaus-Peter Werani, Viola
Hanno Simons, Violoncello
Tzvi Avni wurde am 2. September 1927 als Hermann Jakob Steinke in Saarbrücken geboren. Im Jahr 1935 ist er mit seinen Eltern in das damalige Palästina emigriert. Nach autodidaktischen Anfängen als 13-Jähriger mit Ziehharmonika, Blockflöte und Mandoline hat er mit 16 Jahren Klavierunterricht genommen. Später begann seine akademische Ausbildung an der Musikakademie Tel Aviv. Seine Lehrer waren Abel Ehrlich, Paul Ben-Haim und Mordecai Seter. In den Jahren 1962-64 erweiterte er seine Ausbildung in den USA bei Aaron Copland, Lukas Foss und Vladimir Ussachevsky. Danach gründete er 1971 das elektronische Studio an der Jerusalemer Musikakademie, wo er als Professor für Komposition und Musiktheorie über 44 Jahre unterrichtete. Seine Werke werden in Israel, Europa und den USA vielfach aufgeführt. Tzvi Avni ist mehrfach für seine Kompositionen mit Preisen ausgezeichnet worden, darunter der ACUM-Preis (1966), der Kunstpreis des Saarlandes (1999), der Preis des Staates Israel (2001) und der EMET-Preis (2015).
Seit 20 Jahren ist das TrioCoriolis international auf den Konzertpodien, auf Festivals, im Rundfunk und durch CD-Produktionen präsent. Seit 2017 konzertiert es in der Besetzung mit Thomas Hofer (Violine), Klaus-Peter Werani (Viola) und Hanno Simons (Violoncello). Während dieser intensiven Zeit gemeinsamen Musizierens hat das TrioCoriolis gut 50 Werke einstudiert und aufgeführt. Bis 2012 war Michaela Buchholz, dann bis 2017 Heather Cottrell Violinistin im TrioCoriolis. Die Corioliskraft ist Bild für die Summe der Energie, welche den drei verschiedenen Perspektiven der Musiker inne wohnt. Das TrioCoriolis ist bekannt für eine besondere Balance aus individuellem Ausdruck und gemeinsamer Interpretation. Besonders in der durchhörbaren Gattung des Streichtrios ist die Bewegung in diesem Spannungsfeld möglich. Sowohl jeder einzelne Musiker als auch das Trio gemeinsam haben einen besonderen Bezug sowohl zu alter als auch zu neuester Musik. Diese ästhetische Vielfalt prägt das TrioCoriolis und seine Mitglieder seit ihren Studien und in der weiteren Konzerttätigkeit mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, dem Pellegrini-Quartett (Thomas Hofer 1990-2014), dem Ensemble MusikFabrik, dem Ensemble Modern, Ensemble Triolog u. v. a. Für das TrioCoriolis wurden zahlreiche Werke geschrieben, die es auch in seinen eigenen Reihen HörBlicke21 und Kollektivitäten in München uraufgeführt hat (z. B. Wolfgang von Schweinitz, Nikolaus Brass, Iris ter Schiphorst, Minas Borboudakis, Alexander Strauch, Samy Moussa, Atac Sezer und KP Werani). Das TrioCoriolis erweitert seine Besetzung regelmäßig durch Kolleginnen und Kollegen wie Christoph Grund (Klavier), Stefan Schilli (Oboe), Phillippe Boucly (Flöte), Muriel Cantoreggi (Violine), wodurch die Möglichkeiten des Repertoires sich exponentiell vervielfachen. Immer wieder jedoch kehrt das TrioCoriolis zu seiner Stammbesetzung zurück: Hier erproben und finden sich die Gestaltungskräfte von Thomas Hofer, Klaus-Peter Werani und Hanno Simons im Wechselspiel der Transparenz, welches für Idee und Klang des TrioCoriolis die bestimmende Kraft bildet.
Carolina Camilla Kreusch (*1978 in München) lernte an der Berufsfachschule für Holzbildhauer in Oberammergau. Nach einer Bühnenbildassistenz an der Schaubühne Berlin studierte sie von 2003–2010 an der Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe bei Prof. John Bock, dessen Meisterschülerin sie war. 2007 führte sie das Baden-Württemberg_Stipendium für ein Studium an die „La Esmeralda“, Centro National de las Artes in Mexico-City. Eine Professurvertretung an der TU Dortmund und diverse Lehraufträge (TU München, Hochschule für angewandte Wissenschaften München) schlossen sich an.
Die mehrfach ausgezeichnete Künstlerin ist u. a. Preisträgerin des Kulturpreis Bayern 2020, sie erhielt den Debütantenpreis des bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft Forschung und Kunst oder 2021 den Seerosenpreis für Bildende Kunst der Stadt München.