Seinen ersten „richtigen“ Liederzyklus Das heiße Herz hat Jörg Widmann 2013 geschrieben. Den Titel entlehnte er einem Gedichtzyklus des Schriftstellers Alfred Henschke alias Klabund, den dieser im Jahr 1922 verfasste. Die Gedichte 1, 3 und 5 in Widmanns Zyklus stammen von Klabund, die anderen von so unterschiedlichen Autoren wie Peter Härtling, Heinrich Heine, Clemens Brentano und aus der Sammlung „Des Knaben Wunderhorn“. Neben dem naiven „Volkston“ werden in diesem Zyklus als Gegenstrebungen der romantisch-ironische Ton des Kunstlieds des 19. Jahrhunderts aber auch der schnoddrige Großstadt-Jargon der 20er Jahre als Bezugspunkte aufgerufen.
In unserer Akademie-Werkstatt, im Vorfeld des musica viva-Konzerts am 28. Juni im Herkulessaal der Residenz, in dem der Komponist eigene Werke dirigiert und spielt, soll es gesprächsweise um diese und andere Bezugspunkte gehen im Leben, Denken und Arbeiten des Jörg Widmann: Beziehungen zwischen Autor und Werk, Werk und Zeit, Autor und Publikum, zwischen Wort und Ton, zwischen Konzept und Inspiration, zwischen Kreation und Kunstbetrieb. Ich geh – wohin? Ich kam – woher? Damit hebt das Lied: „Der arme Kaspar“ und damit der Liederzyklus an. In diesen verzweifelt-vergnügten Fragen findet sich das existenzielle Erschrecken über Geburt und Tod aber auch die selbstbewusste Suche nach dem Standort des Künstlers in der Welt und in der Zeit. Ich steh und fall, ich werde sein. Ich bin ein All und bin allein. N. B.
Programm:
Jörg Widmann (*1973)
Das heiße Herz
Liederzyklus für Bariton und Klavier
nach Gedichten von Klabund, Clemens Brentano, Peter Härtling, Heinrich Heine und aus Des Knaben Wunderhorn
I Der arme Kaspar
II Spätes Liebeslied
III Liebeslied
IV Hab ein Ringlein am Finger
V Eifersucht
VI Das Fräulein stand am Meere
VII Kartenspiel
VIII Einsam will ich untergehn
Nikolaus Brass im Gespräch mit Jörg Widmann
Ausführende:
Christian Immler, Bassbariton
Andreas Frese, Klavier
© Marco Borggreve,
Jörg Widmann
Jörg Widmann (*1973) ist auch in der Saison 2023/24 weltweit in all seinen Facetten, sowohl als Klarinettist, Dirigent und als Komponist zu erleben, unter anderem als Composer in Residence bei den Berliner Philharmonikern und dem Royal Stockholm Philharmonic Orchestra, als erster Gastdirigent der NDR Radiophilharmonie, Gastdirigent des Mozarteum Orchester Salzburg, Associated Conductor des Münchener Kammerorchesters, Creative Partner der Deutschen Radio Philharmonie, Artistic Partner der Riga Sinfonietta und Artist in Focus in der Alten Oper Frankfurt. Besonders seine Tätigkeit als Dirigent weitet Jörg Widmann in dieser Saison weiter aus. So hat er sein Debüt als Dirigent mit den Berliner Philharmonikern und dirigiert unter anderem auch die Bamberger Symphoniker, das SWR Symphonieorchester, BBC Scottish, Finnish Radio Symphony Orchestra, das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks und das Juilliard Orchestra New York. Langjährige Kammermusikpartner wie Clemens Hagen, Carolin Widmann, Nicolas Altstaedt, Sarah Aristidou, Denis Kozhukhin und das Hagen Quartett, werden zusammen mit Jörg Widmann unter anderem bei der Schubertiade Schwarzenberg, in der Berliner Philharmonie, Wigmore Hall London, Alte Oper Frankfurt, Pierre Boulez Saal Berlin und dem Auditorio Nacional de Música Madrid auftreten. Bei den Donaueschinger Musiktagen 2015 brachte Widmann das Klarinettenkonzert über von Mark Andre zur Uraufführung. Weitere ihm gewidmete und für ihn geschriebene Klarinettenkonzerte sind Wolfgang Rihms Musik für Klarinette und Orchester (1999) und Aribert Reimanns Cantus (2006).
Ausgebildet von Gerd Starke in München und Charles Neidich an der Juilliard School New York war Jörg Widmann selbst Professor für Klarinette und Komposition an der Hochschule für Musik Freiburg. Seit 2017 bekleidet Widmann einen Lehrstuhl für Komposition an der Barenboim-Said Akademie Berlin. Komposition studierte Jörg Widmann bei Kay Westermann, Wilfried Hiller, Hans Werner Henze und Wolfgang Rihm. Sein Schaffen wurde vielfach ausgezeichnet, zuletzt mit dem renommierten Bach-Preis der Freien und Hansestadt Hamburg, wie auch mit dem Musikpreis der Landeshauptstadt München. Er war Fellow des Wissenschaftskollegs zu Berlin und ist Mitglied der Freien Akademie der Künste Hamburg (2007) sowie der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (2016) und erhielt im Februar 2023 die Ehrendoktorwürde der University of Limerick, Irland. Seit 2004 ist Jörg Widmann ordentliches Mitglied der Abteilung Musik der Bayerischen Akademie der Schönen Künste.
Dirigenten wie Daniel Barenboim, Daniel Harding, Kent Nagano, Franz Welser-Möst, Christian Thielemann, Iván Fischer, Andris Nelsons und Sir Simon Rattle bringen seine Musik regelmäßig zur Aufführung. Orchester wie die Wiener und Berliner Philharmoniker, New York Philharmonic, Concertgebouw Orchestra Amsterdam, Cleveland Orchestra, Orchestre de Paris, London Symphony Orchestra und viele andere haben seine Musik uraufgeführt und regelmäßig in ihrem Konzertrepertoire. In dieser Saison wurde unter anderem die Schumannliebe für Bariton und Ensemble mit Matthias Goerne, Peter Rundel und dem Remix Ensemble in der Casa da Música in Porto uraufgeführt. Jüngst schrieb Jörg Widmann im Auftrag der Berliner Philharmoniker ein Hornkonzert, das im Mai 2024 Stefan Dohr gemeinsam mit Berliner Philharmonikern unter der Leitung von Sir Simon Rattle in der Berliner Philharmonie zur Uraufführung brachte.
© Marco Borggreve,
Christian Immler
Der Münchner Bassbariton Christian Immler studierte bei Rudolf Piernay in London und gewann den Nadia und Lili Boulanger Wettbewerb in Paris. Seine Opernerfahrung reicht von Monteverdis Seneca, dem Komtur und Masetto in Don Giovanni, dem Sprecher in der Zauberflöte, Rocco in Beethovens Fidelio, dem Eremiten in Webers Freischütz, dem Musiklehrer in Strauss' Ariadne auf Naxos bis zu Unsuk Chins Alice in Wonderland. In Konzerten führte er Mahlers 8. Sinfonie mit dem Minnesota Symphony Orchestra, Mendelsohns Elias mit dem Orchestra of the Age of Enlightenment, Zemlinskys Lyrische Sinfonie mit dem Orchestre National de France, die Missa solemnis mit dem Montreal Symphony, sowie Glanerts Prager Sinfonie mit dem Concertgebouw und Gewandhaus Orchestern auf. Als begeisterter Liedsänger wurde er in die Wigmore Hall in London, die Frick Collection in New York, die Pariser Philharmonie und das Salzburger Mozarteum eingeladen, wo er mit Pianisten wie Helmut Deutsch, Kristian Bezuidenhout, Andreas Frese, Danny Driver und Silvia Fraser auftrat. Seine mehr als 60 CD-Aufnahmen wurden mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, darunter 2016 eine Grammy-Nominierung, mehrfach der Diapason d’or, der Opus Klassik, der Preis der Deutschen Schallplattenkritik und der Gramophone Award. Christian Immler ist ausserdem ein gefragter und passionierter Pädagoge und gibt weltweit Meisterkurse. 2023 schloss er sein Doktorat mit dem Titel „Nationale Identität – Die Liedszene im Wien der inter bellum-Jahre“ ab.
© Christian Palm,
Andreas Frese
Andreas Frese studierte zunächst Klavier bei Ria Goetze in Düsseldorf und anschließend Liedinterpretation in der Klasse von Irwin Gage in Zürich. Weitere Impulse erhielt er in Meisterkursen u. a. bei Dietrich Fischer-Dieskau oder Ferenc Rados. Die erzählerische Intensität und Intimität seines Vortrages machen den Pianisten Andreas Frese zu einem der gefragtesten Liedbegleiter und Kammermusikpartner seiner Generation. So konzertierte er mit Künstlerinnen und Künstlern wie Julia Kleiter, Elisabeth Kulman, Hanna-Elisabeth Müller, Melinda Paulsen, Daniel Behle, Christian Immler, Sebastian Kohlhepp, Christoph und Julian Prégardien, Daniel Schmutzhard, Benedict Kloeckner, Niklas Liepe, dem Aris Quartett oder dem Eliot Quartett u. a bei den Salzburger Festspielen, der Schubertiade Hohenems und Schwarzenberg, dem Festival Ljubljana, in der Laeiszhalle Hamburg, der Kölner Philharmonie oder der National Concert Hall Dublin. Neben seiner Vorliebe zum Liedschaffen und der Kammermusik Schuberts und Schumanns begibt er sich in seinen Programmen häufig auf musikalische Entdeckungsreise und widmet sich den Komponistinnen und Komponisten der Jugendstilzeit sowie der französischen und skandinavischen Vokalmusik. Dies spiegelt sich auch in seiner umfangreichen und mit Preisen ausgezeichneten Diskografie (u. a. Diapason d’or und Choc de Classica) wieder. In diversen Meisterkursen (u. a. Fondation Royaumont, Universität Mozarteum Salzburg) geht Andreas Frese seiner Leidenschaft zur Vermittlung der Liedliteratur nach. Zudem unterrichtet er an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main.
Der Eintritt zu der Veranstaltung ist frei, eine Anmeldung nicht erforderlich. Bitte haben Sie dafür Verständnis, dass unser Platzangebot begrenzt ist. Daher werden eine Stunde vor Beginn der Veranstaltung am Haupteingang der Residenz, Max-Joseph-Platz 3, Platzkarten vergeben.