Das Kunstlied ist neben der oratorisch-epischen und der musikdramatischen die dritte Form der Vokalmusik und verkörpert das Lyrische. Wer aber möchte allein ein Gedicht schon ganz verstehen oder dies gar behaupten, geschweige denn ein Lied? Und so müssen auch darstellende Interpretinnen und Interpreten die klangliche Repräsentation von Texten durchlässig, aber konzis, deutend, aber offen, suggestiv, aber nicht vereinnahmend versuchen. Wie bei jedem Kunstwerk ist auch beim Lied die letztgültige Bedeutung zwar lenkendes Ideal der Annäherung, aber natürlich niemals Ziel des Tuns.
Gerold Huber und ich versuchen seit fast 36 gemeinsamen Jahren auf der Bühne, einerseits Haltungen anzubieten – im Sinne vergänglicher Beiträge zur Rezeptionsgeschichte –, andererseits unser eigenes Erleben soweit wie möglich unhörbar zu machen, um uns wie das Publikum von den Inhalten begeistern und oft genug überwältigen zu lassen. Um diese Arbeit zu verstetigen kann es jedoch nicht ausbleiben, dafür gewisse Techniken zu entwickeln und zu nutzen, von denen wir hier gerne ein wenig berichten wollen. Diese müssen wie alle Interpretationstechniken hinter sich selbst zurückzutreten bereit sein, um dem Kunstwerk nicht mit Routine, oder gar Rigidität Gewalt anzutun.
Es bleibt eine vielfältig paradoxe Situation: Eine Arbeit, die das Private nicht ausschließen kann, darf dieses nicht nutzen, Bedeutungssuche darf nicht zu Festlegung führen, das radikal Einfache zu suchen kann nur mit einem gewissen Maß an Artistik gelingen. C. G.
Programm:
Franz Schubert (1797–1828)
Des Müllers Blumen D 795/9
Tränenregen D 795/10
Robert Schumann (1810–1856)
Das Schneeglöckchen Op. 96/2
Johannes Brahms (1833–1897)
Sehnsucht Op. 14/8
Nicht mehr zu dir zu gehen Op. 32/2
Ich schleich’ umher betrübt Op. 32/3
Treue Liebe Op. 7/1
Herbstgefühl Op. 48/7
Gustav Mahler (1860–1911)
Der Einsame im Herbst
Wo die schönen Trompeten blasen
Nun will die Sonn’ so hell aufgeh'n
Gabriel Fauré (1845–1924)
Les berceaux Op. 23/1
Hector Berlioz (1803–1869)
Au cimetière
Pëtr Il’ič Tchaïkovsky (1840–1893)
Не верь, мой друг TH 93/1
Pavel Haas (1899–1944)
Zaslech jsem divoké husy
Heinz Holliger (*1939)
Weit griff sein Schatten
Othmar Schoeck (1886–1957)
Welke Rose
Kurzbiografien:
Während seiner Studienzeit bei Paul Kuën und Raimund Grumbach besuchte Christian Gerhaher an der Hochschule für Musik und Theater München die Opernschule und studierte dort Liedgesang bei Friedemann Berger. Neben einem Medizinstudium rundete er seine stimmliche Ausbildung in Meisterkursen bei Dietrich Fischer-Dieskau, Elisabeth Schwarzkopf und Inge Borkh ab. Geboren in Straubing studierte Gerold Huber als Stipendiat an der Hochschule für Musik und Theater München Klavier bei Friedemann Berger und besuchte die Liedklasse von Dietrich Fischer-Dieskau in Berlin.
Christian Gerhaher und Gerold Huber widmen sich als Duo nun seit weit über 30 Jahren der Liedinterpretation – in Konzerten und Aufnahmen –, seit langem mit bedeutenden Preisen ausgezeichnet. Das Lied-Duo tritt regelmäßig in den internationalen Liedzentren auf: in den New Yorker Sälen, in Muziek- und Concertgebouw Amsterdam, in der Kölner, Luxemburger und Berliner Philharmonie, der Pariser Cité de la musique, in Konzerthaus und Musikverein Wien, im Madrider Teatro de la Zarzuela, in der Mailänder Scala sowie besonders häufig in der Londoner Wigmore Hall; darüber hinaus bei den Festivals in u. a. München, Aix, Heidelberg, Salzburg, Granada, Berlin, Luzern, Edinburgh, Rheingau und Schleswig Holstein. Im September 2023 fand zum dritten Mal die von ihnen kuratierte »Liedwoche Elmau« statt.
2021 erschien die Gesamtedition sämtlicher Schumann-Lieder „Alle Lieder“, an der das Lied-Duo über viele Jahre gearbeitet hat - eine Koproduktion von Sony Classical, dem Heidelberger Frühling Liedzentrum und dem Bayerischen Rundfunk. Die Sony Calssical Einspielung von Gustav Mahlers „Das Lied von der Erde“ in der Klavierfassung mit Piotr Beczala (Tenor), Christian Gerhaher (Bariton) und Gerold Huber (Klavier) erschien 2023. In der vergangenen Saison waren Christian Gerhaher und Gerold Huber gemeinsam in Liederabenden in Amsterdam, London, Madrid, Mailand, Hamburg, Essen, Köln und Berlin und später bei den Münchner Opernfestspielen und Salzburg zu erleben.
Seit 2022 haben Christian Gerhaher und Gerold Huber Professuren für Liedgestaltung am Institut für künstlerische Gesangs- und Theaterausbildung an der Hochschule für Musik und Theater München inne.
Christian Gerhaher und Gerold Huber sind ordentliche Mitglieder der Abteilung Musik der Bayerischen Akademie der Schönen Künste.
Der Komponist Nikolaus Brass, geboren 1949, ursprünglich Mediziner, veröffentlicht seine Kompositionen seit 1981. Uraufführungen u. a. bei den Darmstädter Ferienkursen, den Donaueschinger Musiktagen, der musica viva des Bayerischen Rundfunks, den Wittener Tagen für neue Kammermusik, dem ECLAT Festival neue Musik Stuttgart sowie Ultraschall Berlin – Festival für neue Musik. Zu seinen Produktionen für das Musiktheater zählen das Kammermusiktheater „Sommertag“ (Münchener Biennale 2014), das installative Musiktheater „earth diver“ (Ruhrfestspiele Recklinghausen 2016) und das Musiktheater „Die Vorübergehenden“ (Bayerische Staatsoper 2018). Seit 2014 ist Nikolaus Brass ordentliches Mitglied der Abteilung Musik der Bayerischen Akademie der Schönen Künste. Von 2021 bis 2024 war er Direktor der Abteilung Musik. Seit 2018 ist Nikolaus Brass Mitglied der Sudetendeutschen Akademie der Wissenschaften und Künste und seit 2022 Mitglied der Akademie der Künste Berlin.
Karten für die Veranstaltung können nur am Montag, 7.10., ab 10 Uhr, telefonisch unter 089 29 00 77 118 reserviert werden. Am 10.10. werden nicht eingenommene Plätze ab 18.45 Uhr freigegeben.